Oligarch vor Gericht – Anti-Korruptionsaktivisten besorgt

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Oligarch vor Gericht - Anti-Korruptionsaktivisten besorgt

UKRAINE | Ihor Kolomojskyi verbrachte das Wochenende im Gerichtssaal. Dem einflußreichen Oligarchen werden Geldwäsche und Betrug vorgeworfen. Anti-Korruptionsaktivisten zeigen sich laut einem Bericht von Tagesschau besorgt. Der mächtige Geschäftsmann musste nach seiner Festnahme durch den ukrainischen Geheimdienst SBU in einem Trainingsanzug des FK Dnipro das Gericht betreten.

Kolomojskyj war einst einer der mächtigsten Oligarchen des Landes, erklärt die Anti-Korruptionsaktivistin Olena Haluschka: „Er ist in der Ukraine berüchtigt für einen der größten Bankbetrugsfälle – der Fall der Privatbank. Laut Gutachten wurden etwa 5,5 Milliarden Dollar veruntreut, die über diese Bank abgewickelt wurden.“ Damit aber nicht genug, Kolomojskyj betreibt einen der erfolgreichsten Fernsehsender in der Ukraine und unterstützte mit diesem massiv den Wahlkampf des heutigen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Der heutige erste Mann der Ukraine distanziert sich jedoch seit Monaten von seinem einstigen Förderer.

Ihor Kolomojskyi wegen Geldwäsche und Betrug verhaftet

Wolodymyr Selenskyj versprach den Menschen in der Ukraine nach der Verhaftung von Kolomojskyj, dass künftig andere Regeln herrschen würden. „Es wird zweifellos kein jahrzehntelanges ‚business as usual‘ mehr für diejenigen geben, die die Ukraine ausgeplündert und sich über das Gesetz und jegliche Regeln gestellt haben“, sagte der Präsident. Selenskyj will Korruption während des russischen Angriffskrieges in Zukunft rechtlich mit Hochverrat gleichsetzen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf soll in dieser Woche dem Parlament vorgestellt werden.

Das EU-Parlament kann sich mit dem harten Durchgreifen nicht anfreunden. Der Europaabgeordnete Michael Gahler sagt: „Es ist unnötig, die Korruptionsbekämpfung während des Krieges von bestehenden Institutionen auf den Geheimdienst zu verlagern, indem Korruption als Hochverrat bezeichnet wird.“ Die Verhaftung von Ihor Kolomojskyi schlägt in der Ukraine hohe Wellen und freut viele. Ausgerechnet die Anti-Korruptionsaktivisten zeigen sich aber besorgt.

Geheimdienst SBU könnte Anti-Korruptionsbehörden entmachten

Die Ermittlungen gegen Kolomojskyj werden von dem ukrainischen Geheimdienst SBU und nicht von den unabhängigen Anti-Korruptionsbehörden der Ukraine druchgeführt. Olena Haluschka meint, dass der Geheimdienst eigentlich andere Aufgaben habe: Wir befürchten, dass der Geheimdienst mit dieser Untersuchung versucht zu zeigen, dass er Korruptionsfälle verfolgen kann. Das wird helfen, vor dem Parlament zu rechtfertigen, wieso der SBU in Zukunft mit solch hochkarätigen Fällen beauftragt werden sollte.“

Die Anti-Korruptionsbehörden konnten in den letzten Jahren nur mühsam geschaffen werden und könnten derart vom SBU entmachtet werden. Sollte Korruption zum Hochverrat erklärt werden, könnte der Geheimdienst für die Ermittlungen zuständig sein, so die Bedenken vieler. Der ist aber nicht unabhängig, sondern untersteht dem Präsidenten. Haluschka befürchtet, viele Abgeordnete hätten genau daran ein Interesse: „Leider gibt es im Parlament viele Leute, die an einer Schwächung der Anti-Korruptionsbehörden interessiert sind. Es gibt Leute, gegen die ermittelt wird.“ ✠

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Boris Raczynski
Der Herausgeber lebt seit über 20 Jahren in Odessa und kennt Land und Leute. Gemeinsam mit seiner Frau Elena hat er direkt nach Ausbruch des Krieges eine Hilfsorganisation gegründet und unterstützt ukrainische Kriegsflüchtlinge.